Johanniter - Ausgabe 2/2024 - Outdoor

Wissen macht Mut.

In ihren Outdoor-Erste-Hilfe-Kursen zeigen die Johanniter, was zu tun ist, wenn man in Notlagen auf sich selbst gestellt ist. Das reicht vom Umgang mit Karte und Kompass über das Einmaleins der Wundversorgung bis zum Transport Verletzter in unwegsamem Gelände.

„Was tun, wenn kein Arzt kommt?“ Udo weiß genau, was er lernen will. Wenn er mit anderen aus seiner Wandergruppe durch den Pfälzer Wald marschiert, sich jemand das Bein verdreht oder es in abgelegener Umgebung zu Notfällen kommt – dann will Udo vorbereitet sein und handeln können. Und Anette sagt: „Ich muss wissen, was ich im Ernstfall im Wald tun kann, da hängt kein Defibrillator am nächsten Baum.“ Die wichtigsten Maßnahmen der Ersten Hilfe auffrischen und Wissen abrufen können, darum geht es.

Gleich geht’s raus

14 Personen sitzen an diesem sonnigen Frühlingstag im Schulungsraum in Mannheim-Friedrichsfeld. Der Spezialkurs „Erste Hilfe Outdoor“ des Regionalverbandes Baden ist ausgebucht – durch eine Gruppe passionierter Wanderfreunde, die regelmäßig zusammen unterwegs ist. Einige der Anwesenden sind während der Saison auch noch mit Motorrädern auf der Straße. Aber egal, in welcher Situation ein Notfall eintritt: Mit geschultem Blick, mit einfachsten Hilfsmitteln und kühlem Kopf kann jeder Erste Hilfe leisten und möglicherweise Leben retten, machen die beiden Johanniter Dunja Seifert und Horst Seibert klar.

Die Besonderheit heute: Das Training bei den Johannitern findet draußen statt, im nahe gelegenen Dossenwald im Südosten Mannheims. Vor Ort und in unbekanntem Gelände. „Draußen in der Natur lernt man am besten, wie jeder mit den einfachsten Mitteln in Notfallsituationen sinnvoll handeln kann“, kündigt Kursleiter Horst Seibert beim einstündigen Indoor-Auftakt an, bevor es für den von ihm mit besonderen Inhalten angereicherten Spezialkurs nach draußen geht.

Die erste Lektion: Egal ob beim Mountainbiken, Wandern, Bergsteigen oder Kanufahren – gut gerüstet ist, wer nicht nur an funktionale Kleidung, Wasserflasche und Nahrung denkt. Sondern auch an eineKarte, einen simplen Kompass, ein paar leichte Seile oder Schnüre sowie eine Wärmedecke, wie sie jedem Verbandskasten beiliegt und die kaum etwas wiegt. Damit ausgerüstet, so der Experte, komme man im Ernstfall schon ziemlich weit.

Gar nicht verpeilt

Heiter und gelöst geht es zu, als es um die Orientierung geht: Wo befindet sich die Gruppe und wie bestimme ich eine Position? Kein Hexenwerk für den, der grundlegende Geometriekenntnisse hat, die vier Himmelsrichtungen kennt und sich auch nach Sonne und Uhrzeit orientieren kann. Einen markanten Punkt wieKirchturm, Tunnel oder Gebäude anpeilen, dann klappt es auch mit der Orientierung in fremder Umgebung. „Für mich war das Peilen total wertvoll“, sagt Teilnehmerin Karen am Ende des Tages. „Wie oft habe ich mich verlaufen, das passiert mir künftig bestimmt nicht mehr.“ Lektion gelernt.

Einen ähnlichen Wow-Effekt erzielt die Übung, bei der mit einfachsten Seilen, ein paar Stoffstreifen und fünf, sechs verschiedenen Knoten eine sinnvolle Befestigung improvisiert werden kann: wenn bei einem Verletzten etwas fixiert, eine Leine im Gelände gespannt werden soll oder mit wenigen Mitteln eine stabile Transporttrage gebaut werden muss. „Die Knoten zu kennen, ist hilfreich. Niemand muss einen Segelschein haben, um mit wenigen Handgriffen eine geeignete Lösung für die Situation zu finden.“ Es geht also weniger um richtig oder falsch, sondern darum, im Notfall zielgerichtet helfen zu können.

Orientierung schafft Sicherheit

Dazu gehört ein wenig Grundwissen, was und in welcher Reihenfolge zu tun ist, falls eine Person hilflos im Wald oder in unwegsamem Gelände aufgefunden wird. „Es ist vor allem eine Frage der Wahrnehmung“, sagt Dunja Seifert. „Es gibt ja mitunter nur wenig Anhaltspunkte, was passiert ist und auch, wie es der Person geht.“ Hier helfen Routinen: Situation erkennen, Gefahren für einen selbst einschätzen, Eigen- und Fremdschutz prüfen. Dann gilt es, sich bemerkbar zu machen und gegebenenfalls weitere Personen für die Erste Hilfe zu finden, einen Notruf abzusetzen, sofern die Verletzungen lebensbedrohlich sind, und vor Ort Erste Hilfe zu leisten.

„Jede Situation ist anders, aber wer die wichtigsten Regeln beherrscht, kann nichts verkehrt machen.“ Einige, die in Mannheim beim Outdoor-Erste-Hilfe-Kurs dabei sind, wissen das nur zu gut. Es war ein prägendes Erlebnis, das sie bis heute beschäftigt. Sie waren vor ein paar Jahren auf einer gemeinsamen Wanderung unterwegs, als einer aus ihrer Gruppe mitten im Wald zusammenbrach und die Gruppe reagieren musste. Einige besser, andere hilflos, erinnert sich Daniela. „Da lief das volle Programm ab: Wiederbelebungsmaßnahmen vor Ort, eine Notfallmeldung absetzen, auf den Rettungshubschrauber warten.“ Nur um dann zu erleben, dass jede Hilfe zu spät kam. Daniela hat an diesem Vorfall bis heute zu knabbern. „Der Notarzt hat uns am Ende versichert, dass wir allesNotwendige getan hatten“, sagt sie, aber ganz überzeugt ist sie bis heute nicht, weshalb sie für ihre Wandergruppe die Teilnahme an dem Kurs angestoßen hat: „Ich habe mir seitdem vorgenommen, einmal im Jahr mein Erste-Hilfe-Wissen aufzufrischen. Deshalb bin ich hier.“

Ich kenne jetzt viele praktische Hilfsmittel, die ich vor Ort finden und nutzen kann.
Kursteilnehmerin Karen

Superpraktisch

Viel praktisches Wissen bündeln Dunja Seifert und Horst Seibert an diesem Tag: Wie man einen Körper vor Unterkühlung oder gegen Hitzschlag schützt, dass man verpflichtet ist, Menschen in einer Notsituation zu helfen, sich aber selbst nicht in Gefahr bringen darf, also Eigensicherung vorgeht. Wie man seinen eigenen Standort in unbekanntem Gelände bestimmt, dass zwei Jacken, zwei stabile Äste und ein paar Stoffstreifen reichen, um eine halbwegs funktionierende Transporttrage zu bauen. Und auch, dass in jeder guten Wanderkarte die in der Nähe befindlichen Rettungspunkte eingezeichnet sind, wo die Notfallrettung halten kann, wenn es keine direkte Zufahrt zum Unfallort gibt.

Kurzum: viel Alltagswissen, das immer gebraucht wird. Karen etwa weiß „einen Hitzschlag von einem Sonnenstich unter scheiden zu können und was der Person dann auch wirklich hilft“. Sie ist nun gerüstet, für eine Fahrradtour ebenso wie für dieWandergruppe. „Ich kenne jetzt viele praktische Hilfsmittel, die ich vor Ort finden und nutzen kann.“ Und ihr sei klargeworden, dass sie „nicht in Panik geraten muss. Denn das ist bei Erster Hilfe ja nicht Sinn der Sache.“ / Ina Krauß