Im Notfall
Unterstützung in außergewöhnlichen Notlagen
Unsere Rettungskräfte sind bundesweit an 365 Tagen im Jahr und 24 Stunden am Tag im Einsatz. Die Johanniter sind auch im Bevölkerungsschutz mehr denn je unverzichtbar, wenn es darum geht, Menschen in außergewöhnlichen Notlagen zu helfen. Die Realität auf den Straßen, in den Leitstellen und Notaufnahmen zeigt: Unsere Einsatzkräfte leisten Tag für Tag Außerordentliches, doch das System ist vielerorts an seiner Belastungsgrenze angelangt. Wir unterstützen daher die dringend notwendige Reform der Notfallversorgung. Die Herausforderungen der Zukunft heißen Fachkräftegewinnung, Flexibilität und kommunale Partnerschaft. Unser Anspruch ist klar: Wir wollen als verlässlicher, qualitativ führender Arbeitgeber und Anbieter vor Ort präsent sein und als starker Partner der kommunalen Daseinsvorsorge auf Augenhöhe Lösungen anbieten. Dabei setzen wir auf gesundes Wachstum, strukturelle Robustheit und den Mut, neue Wege zu gehen.
„Der Rettungsdienst ist kein Auffangnetz für die Schwächen unseres Gesundheitssystems – sondern ein eigenständiger Teil der Gesundheitsversorgung und der Gefahrenabwehr.“
Der Springerpool Rettungsdienst
Entlastung für die Retter
Was tun gegen den Fachkräftemangel in den Rettungswachen? Im südlichen Niedersachsen gehen die Johanniter neue Wege: Speziell geschulte Rettungskräfte springen immer dort ein, wo der Personalengpass am größten ist. So entlastet der Johanniter-Springerpool die Kolleginnen und Kollegen an zehn Wachen zwischen Schwarmstedt und Göttingen.
In vielen Johanniter-Rettungswachen ist der Fachkräftemangel deutlich zu spüren. Gründe dafür gibt es viele. Krankheit und Mutterschutz zählen zu den Hauptfaktoren für ungeplante Ausfälle. Hinzu kommt, dass die hohe Belastung im Rettungsdienstalltag und zugleich attraktive Übernahmeangebote von Krankenhäusern oder Berufsfeuerwehren die Bereitschaft zum Wechsel erhöhen. „Notfallsanitäterinnen und -sanitäter sind nach ihrer dreijährigen Ausbildung hochqualifiziert und vielseitig einsetzbar. Damit sind sie eine wertvolle Ressource für den gesamten medizinischen Arbeitsmarkt“, sagt Tim Heinrich, Dienststellenleiter im Regionalverband Niedersachsen Mitte.
Darauf haben die Johanniter im südlichen Niedersachsen reagiert. Seit September 2024 bringt der neue Springerpool Rettungsdienst Entlastung für die Retter. Acht Notfallsanitäter und zwei Rettungssanitäter, die eigens dafür eingestellt wurden, kommen an zehn Rettungswachen in der Region zwischen Schwarmstedt im Norden und Göttingen im Süden immer dort zum Einsatz, wo die Personalnot gerade besonders groß ist.
Vor ihrem ersten Dienst haben alle Springer eine mehrwöchige, umfangreiche Einarbeitung durchlaufen und beherrschen die Trägervorgaben aus sechs Landkreisen inzwischen aus dem Effeff. Sie sind mit den verschiedenen Einsatzfahrzeugen und medizinischen Geräten vertraut und kennen die Standardprozesse (SOP), die von den ärztlichen Leiterinnen und Leitern des Rettungsdienstes in den jeweiligen Städten und Kommunen vorgegeben werden. Hinzu kommen Feinheiten, die je nach Rettungswache unterschiedlich geregelt sind.
Notfallsanitäter Can Yilmaz, der die neuen Kollegen geschult hat, nennt ein Beispiel: „In manchen Kommunen werden Paracetamol, Nalbuphin und Esketamin als Schmerzmittel eingesetzt, in anderen sind auch Morphium und Fentanyl erlaubt, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Aber in welcher Dosierung? Und in welcher Kombination mit anderen Medikamenten? Das muss alles sitzen und ist für die neuen Springerpool-Kollegen richtig Futter fürs Hirn.“
Die Anstellung im Springerpool Rettungsdienst verlangt Flexibilität und Einsatzbereitschaft ‒ dafür gehören ein privat nutzbares Dienstfahrzeug und eine monatliche Zulage von mindestens 450 Euro zu den Vorzügen. Can Yilmaz sieht noch einen anderen Anreiz: „Die Arbeitsorte sind zehn individuelle Rettungswachen. Manche sind groß, andere eher klein. Einige liegen im städtischen Umfeld, andere auf dem Land, einige in Autobahnnähe. Es ist spannend, das zu erleben.“
Genau das hat Notfallsanitäter Carsten Hempel zum Springerpool gebracht. Vor fast 40 Jahren begann er seine Arbeit im Rettungsdienst, zuletzt auf der Johanniter-Rettungswache in Celle: „Mir macht das immer noch Spaß, aber ich möchte auch etwas Abwechslung.“
Zu den ersten Mitarbeitenden des Springerpools gehört auch Tobias Hinz aus Hildesheim. Der Notfallsanitäter absolviert neben seiner Tätigkeit ein Studium im Bereich „Management in der Gefahrenabwehr“. Die neue Anstellung bringt ihm einen entscheidenden Vorteil: „Bis vor kurzem war ich bei meinem vorherigen Arbeitgeber noch bundesweit im Einsatz. Jetzt reduziert sich der Radius auf das südliche Niedersachsen. Dadurch bin ich mehr zu Hause und kann mich besser auf mein Studium konzentrieren."
Torsten Bierbrauer, Regionalvorstand für Niedersachsen Mitte, sieht in dem Angebot eine entscheidende Weiterentwicklung im Personal-Recruiting: „Mit unserem wichtigsten Gut, hochengagierten und topausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, kommen wir unserem Auftrag zur rettungsdienstlichen Versorgung der Bevölkerung nach. In Zukunft geht es darum, die Personalgewinnung und -bindung ‚neu zu denken‘. Als attraktiver Arbeitgeber verbinden wir traditionelle, bewährte Konzepte mit neuen Ideen, wie beispielsweise dem Springerpool Rettungsdienst.“
Komm zu uns als Notfallsanitäter!
Engagierte Rettungssanitäter und Notfallsanitäter werden bei den Johannitern immer gesucht. Bewerberinnen und Bewerber erwartet ein vielfältiges, verlässliches Arbeitsumfeld mit langfristiger Perspektive. Neben spannenden Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten bieten wir einen festen Zusammenhalt und starken Teamgeist. Auch ehrenamtliche Rettungssanitäter und solche, die es werden wollen, sind herzlich willkommen.
Hilfe zur Selbsthilfe für die Menschen vor Ort
Hochwasserdepots
Schneller reagieren, wenn es darauf ankommt: In Ingolstadt, Kempten und Ravensburg halten die Johanniter Hilfsmaterialien für private Haushalte vor. Damit können Betroffene bei Hochwasser sofort mit anpacken. Denn die Erfahrung zeigt: Selbst aktiv zu werden, reduziert das Gefühl der Ohnmacht ‒ und entlastet auch die Einsatzkräfte.
Im Mai 2024 brachte das atlantische Tief Orinoco gewaltige Regenmengen nach Bayern und Baden-Württemberg. Der Dauerregen richtete immense Schäden an und forderte sogar Menschenleben. Vom Hochwasser besonders betroffen waren die Johanniterverbände in Kempten, Ingolstadt und Ravensburg.
Nach der Flut stellten sich die Johanniter in der Region die Frage: Wie können wir in Zukunft den Betroffenen noch schneller helfen? So entstand das Konzept der „mobilen Hochwasserdepots“, in denen Geräte und Hilfsmaterialien für den Ernstfall lagern.
Solche Depots, die durch die „Aktion Deutschland Hilft“ finanziert werden, gibt es inzwischen in den Regionalverbänden Oberbayern, Bayerisch Schwaben und Oberschwaben/Bodensee. Sie bestehen aus jeweils 20 Notfallsets für bis zu 60 private Haushalte und sind in stabilen Gitterboxen transportfähig verstaut. So können die Materialien schnell vor Ort gebracht werden und stehen den Freiwilligen sofort zur Verfügung.
„Keep it simple“ heißt das Motto
Was genau in den Boxen enthalten ist, demonstriert Sven Müller, Ortsbeauftragter der Johanniter in Ingolstadt. Zusammen mit Niklas Müller, dem Leiter Logistik und Technik, und der Ehrenamtlichen Lilly Harbauer gewährt er Einblick in das oberbayerische Depot.
Wenn der Keller unter Wasser steht und die öffentliche Versorgung zusammenbricht, ist Strom das Wichtigste. Dafür sorgt ein Aggregat, das mit einer Tankfüllung Benzin für acht Stunden Energie liefert ‒ erst für den Betrieb der Pumpe in der Flutbox, danach auch für den Wassersauger und den Bautrockner.
Besen, Schaufeln, Eimer und Müllsäcke sind auch vorhanden, ebenso Akkulampen und Kanister für zusätzlichen Treibstoff. „Keep it simple“, erklärt Sven Müller das Motto. Weil im Notfall der Stress ohnehin schon groß ist, soll alles möglichst selbsterklärend sein. Für eine geordnete Aus- und Rückgabe ist alles Wichtige mit Barcodes versehen. Müller ist überzeugt, dass das funktioniert: Die 100 Bautrockner, die die JUH vergangenes Jahr verliehen hat, seien auch „in einem ordentlichen Zustand” zurückgekommen.
Betroffene und Freiwillige wollen mit anpacken
„Unser Konzept beruht auf dem Prinzip ‚Hilfe zur Selbsthilfe‘, aber wenn jemand dabei Unterstützung braucht, sagen wir natürlich nicht Nein“, erklärt Sven Müller. Er ist sich sicher, dass das Konzept den Bedarf genau trifft. Auch das Feedback aus dem Fachkreis ist bisher durchweg positiv.
Anne Ernst, Geschäftsbereichsleiterin Krisenmanagement & Nothilfe, ist vom Konzept der Depots ebenfalls überzeugt: „Die Betroffenen und Freiwilligen wollen direkt anpacken, aber ihnen fehlen in der Situation häufig geeignete Werkzeugen und eine Koordination.“ Die mobilen Depots können in Absprache mit den Verantwortlichen unmittelbar vor Ort eingesetzt werden. „Das reduziert das Gefühl der Ohnmacht und stärkt die Selbsthilfefähigkeit der Menschen vor Ort.“
Alle Fotos: Wolfgang Brenner
„Wir stehen bereit, um den Schutz der Gesundheit, den Selbstschutz der Bevölkerung und die Aufnahme von Geflüchteten gemeinsam mit unseren Partnern zu gewährleisten.“