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Sekundäre intrakranielle Hypertension/ Pseudotumor Cerebri

Was ist SIH?

SIH beschreibt ein krankhaft erhöhter Druck im Gehirn, der durch eine erkennbare Ursache verursacht wird, wie ein Schädel-Hirn-Trauma, eine Grunderkrankung (z. B. Meningitis, Sinusvenenthrombose), eine Reaktion auf bestimmte Medikamente (z. B. Retinoide, Tetracycline), als Folge einer Liquorzirkulationsstörung (z. B. Hydrocephalus) oder bei endokrinen Störungen (z. B. Hypothyreose). Im Gegensatz zur idiopathischen intrakraniellen Hypertension IIH) ist die Ursache bekannt und muss behandelt werden, um den Hirndruck zu senken und um solche Symptome wie Kopfschmerzen und Sehstörungen zu lindern. SIH ist selten im Vergleich zur primären (idiopathischen) Form. Die genaue Häufigkeit hängt stark von der Ursache ab (z. B. Sinusvenenthrombose, Tumore usw.).

Normalerweise liegt der intrakranielle Druck (intracranial pressure, ICP) bei etwa 7–15 mmHg (Millimeter Quecksilbersäule) bei Erwachsenen in Rückenlage, bei einer Lumbalpunktion liegt der Normwert des Liquordruckes ca. 6–20 cm H₂O (bzw. mmHg). Werte über 20 mmHg gelten als pathologisch erhöht. Ein dauerhaft erhöhter ICP kann zu Symptomen wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Sehstörungen führen.

Welche weiteren Symptome findet man häufig bei SIH?

Das Leitsymptom der SIH ist der Kopfschmerz, der oft über Stunden mit starker Intensität anhält, meist täglich ein- oder beidseitig auftritt, pulsatilen Charakter hat und gelegentlich auch retrobulbäre Schmerzen verursacht. Typischerweise verschlechtert sich der Schmerz durch körperliche Aktivität und Valsalva-Manöver. 

Begleitend treten häufig Schulter- und Nackenschmerzen auf. Als Folge der intrakraniellen Liquordrucksteigerung kommt es zu meist beidseitigen Stauungspapillen. Die Ausprägung der Symptomatik variiert jedoch stark.  Oft sind die Ausfälle minimal und zeigen sich bei erstmaliger Untersuchung nur durch eine Vergrößerung des blinden Flecks. Möglich sind Visusminderung, transiente Obskurationen (Verdunkelungen), Verschwommensehen und periphere Gesichtsausfälle. Weitere möglichen Symptome sind Übelkeit, ein pulsatiler Tinnitus.

Typische Symptome bei Sekundäre intrakranielle Hypertension (SIH)

  • Kopfschmerz mit starker Intensität (meist täglich ein- oder beidseitig)
  • Schulter- und Nackenschmerzen
  • Visusminderung/ transiente Obskurationen (Verdunkelungen)/ Verschwommensehen/ periphere Gesichtsausfälle
  • Übelkeit
  • Pulsatiler Tinnitus

Welche weiteren Erkrankungen / Syndrome findet man häufig bei SIH?

Die Grundlage für die Entwicklung von SIH ist eine Störung der zerebrospinalen Liquorzirkulation mit breiter Heterogenität der Ursachen hierfür. Tarlovzysten sind flüssigkeitsgefüllte Ausstülpungen der Spinalnervenwurzeln, die häufig im Sakralbereich auftreten. Sie entstehen durch pathologisch erhöhten Liquordruck im Spinalkanal, der Liquor in die Nervenwurzeln drückt, also Tarlovzysten sind die Folgen einer Störung der zerebrospinalen Liquorzirkulation. 

Umgekehrt können Tarlovzysten den Liquorfluss und damit den Hirndruck beeinflussen. Wenn z. B. durch eine Zyste der Liquorabfluss behindert wird oder sich andere Kompensationsmechanismen einstellen, kann das auch zu SIH führen. Hierbei entsteht ein sogenannter Circulus vitiosus, welcher in einer unbeherrschbaren klinischen Situation für die Betroffenen endet.

Es gibt nur sehr rare wissenschaftliche Publikationen, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Tarlovzysten und SIH befassen.

Eine Fallstudie aus dem Jahr 2019 „Hydrocephalus associated with multiple Tarlov cysts“ von Hulens et al. beschreibt einen Patienten mit multiplen Tarlovzysten, bei dem ein Hydrocephalus diagnostiziert wurde. Die Autoren vermuten, dass die Zysten durch erhöhten hydrostatischen Druck im Duralsack Liquor in die Nervenzellwurzeln drücken und so Symptome wie Kopfschmerzen und Nackenschmerzen verursachen können. Diese Symptome könnten auf eine sekundäre intrakranielle Hypertension hindeuten.

Eine weitere Fallstudie aus dem Jahr 2018 „Idiopathic Intracranial Hypertension Associated with Symptomatic Perineural Cysts: Presentation of 2 Cases“ berichtet über zwei Fälle, in denen Patienten mit idiopathischer intrakranieller Hypertension auch symptomatische perineurale Zysten (einschließlich Tarlovzysten) aufwiesen. Die Behandlung der IIH führte zu einer Verbesserung der Symptome der perineuralen Zysten, was auf einen möglichen Zusammenhang hindeutet.

Wie entsteht SIH?

Sekundäre intrakranielle Hypertension (SIH) entsteht durch eine erkennbare Ursache, die zu einem erhöhten Hirndruck führt. Im Gegensatz zur idiopathischen (primären) intrakraniellen Hypertension (IIH) liegt bei der sekundären Form eine spezifische Grunderkrankung oder Schädigung vor.

Raumfordernde Prozesse im Schädel (z. B. Tumoren, Abszesse, Zysten, Hämatome) führen zu einer Volumenzunahme innerhalb des fixen Schädelraums, was den Hirndruck ansteigen lässt. Der gestörte zerebrale oder spinale Liquorfluss (z. B. Hydrozephalus, spinaler Hydrops) führt zur Erweiterung der Ventrikel oder des Spinalkanals und damit zu Druckerhöhung.

Venöse Abflussbehinderung (z. B. Sinusvenenthrombose) führt zu einem Rückstau des venösen Bluts und dadurch zu erhöhtem Hirndruck.

Entzündliche oder infektiöse Prozesse (z. B. Meningitis, Enzephalitis) sowie traumatische Hirnschädigungen (z. B. Blutungen, Schädel-Hirn-Trauma) können durch Schwellungen und Liquorflussstörungen den Hirndruck erhöhen. 

Wie wird SIH diagnostiziert?

Das SIH stellt eine Druckerhöhung im Schädelinneren dar, bei der – im Gegensatz zur idiopathischen Form – eine klare Ursache identifiziert werden kann. Die Diagnose erfordert ein systematisches Vorgehen, das mit einer gründlichen Anamnese und klinischen Untersuchung beginnt. Typische Symptome sind Kopfschmerzen (vor allem morgens), Sehstörungen wie Verschwommensehen oder Doppelbilder, pulsierender Tinnitus, Übelkeit, Erbrechen und in schweren Fällen auch Bewusstseinsstörungen. Häufig findet sich ein Papillenödem, welches durch eine Augenuntersuchung (Funduskopie) sichtbar gemacht werden kann.

Im nächsten Schritt erfolgt eine Bildgebung des Schädels – in der Regel ein CT oder besser ein MRT –, um mögliche Ursachen für die Druckerhöhung zu identifizieren. Zu den häufigen sekundären Auslösern zählen Hirntumore, zerebrale Sinusvenenthrombosen, Blutungen, entzündliche Erkrankungen (z. B. Meningitis, Enzephalitis), ein Hydrozephalus, Liquorzirkulationsstörung oder traumatische Veränderungen. In der Bildgebung können auch indirekte Hinweise auf eine intrakranielle Hypertension erkennbar sein, wie z. B. eine erweiterte Sehnervenscheide oder eine sogenannte „leere“ Sella turcica.

Ist eine raumfordernde oder sonst gefährliche Ursache durch die Bildgebung ausgeschlossen, wird in der Regel eine Lumbalpunktion durchgeführt. Dabei wird der Liquoreröffnungsdruck gemessen – ein Wert über 25 cmH₂O beim Erwachsenen spricht für eine intrakranielle Hypertension. Wichtig ist, dass die Lumbalpunktion nur nach einer unauffälligen Bildgebung erfolgt, um das Risiko einer Hirnverlagerung zu vermeiden. Der Liquor selbst ist bei SIH oft unauffällig, kann aber zur weiteren Ursachenklärung (z. B. Infektionen, Entzündungen) herangezogen werden.

Je nach klinischem Verdacht folgen weiterführende Untersuchungen, etwa eine MR-Venografie zum Nachweis oder Ausschluss einer zerebralen Sinusvenenthrombose – eine häufige, aber oft übersehene Ursache für SIH. Laboruntersuchungen können bei Verdacht auf systemische Erkrankungen oder endokrine Störungen hilfreich sein. Auch Medikamente wie Tetracycline, Vitamin-A-Derivate oder Wachstumshormone können ein SIH auslösen, ebenso wie bestimmte hormonelle oder hämatologische Erkrankungen.

Die Diagnose des SIH stützt sich letztlich auf den Nachweis einer intrakraniellen Drucksteigerung (klinisch, durch Bildgebung und Liquordruckmessung) und gleichzeitig auf die Identifikation einer zugrundeliegenden Ursache. Der Ausschluss anderer Differenzialdiagnosen ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Diagnostik. 

Wie wird SIH behandelt?

Die Behandlung des SIH richtet sich in erster Linie nach der zugrundeliegenden Ursache, da im Gegensatz zur idiopathischen Form eine klare auslösende Erkrankung oder Störung vorliegt. Das therapeutische Ziel ist es, den erhöhten Hirndruck zu senken und Komplikationen wie Sehverlust oder Hirnschäden zu vermeiden.

Zunächst ist es entscheidend, die Ursache gezielt zu behandeln oder zu beseitigen. Liegt zum Beispiel eine zerebrale Sinusvenenthrombose vor, wird eine antikoagulative Therapie (z. B. mit Heparin oder oralen Antikoagulanzien) eingeleitet. Wenn Medikamente wie Vitamin-A-Derivate, Tetracycline oder Wachstumshormone als Auslöser identifiziert wurden, müssen diese abgesetzt werden. Auch endokrinologische Störungen wie eine Nebennierenrindeninsuffizienz oder Hypothyreose sollten entsprechend therapiert werden.

Parallel zur kausalen Therapie wird oft eine symptomatische Drucksenkung durchgeführt. Hierbei kommt vor allem Acetazolamid zum Einsatz – ein Carboanhydrasehemmer, der die Liquorproduktion im Plexus choroideus reduziert und somit den intrakraniellen Druck senkt. In einigen Fällen kann auch Furosemid ergänzend gegeben werden. Die Dosierung muss individuell angepasst und regelmäßig kontrolliert werden, insbesondere im Hinblick auf Elektrolytstörungen. Bei Unverträglichkeit oder unzureichender Wirkung kann auch Topiramat als Alternative infrage kommen, welches ebenfalls die Liquorproduktion senkt und zusätzlich appetitzügelnd wirkt – ein möglicher Vorteil bei übergewichtigen Patientinnen und Patienten.

Eine engmaschige augenärztliche Kontrolle ist wichtig, um ein Fortschreiten des Papillenödems oder dauerhafte Sehschäden rechtzeitig zu erkennen. Bei akut drohendem Sehverlust kann eine operative Druckentlastung notwendig sein – beispielsweise durch eine Fenestrierung der Sehnervenscheide (Optikus-Scheiden-Fenestration) oder die Anlage eines ventrikulo-/ lumboperitonealen Shunts zur Ableitung des überschüssigen Liquors. Diese Maßnahmen sind meist reserviert für schwere oder therapierefraktäre Fälle.