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Spinale onkologische Chirurgie

  • Spinale onkologische Behandlung
  • Wirbelsäulenmetastasen
  • Wirbelsäulentumoren, Rückenmarkshauttumoren, Nervenwurzeltumoren

Die onkologische Wirbelsäulenchirurgie beschäftigt sich mit den Tumorerkrankungen der Wirbelsäule. Bei der überwältigenden Mehrzahl aller Wirbelsäulentumoren handelt es sich um Tochtergeschwulste / Metastasen von Tumorerkrankungen, welche außerhalb der Wirbelsäule ihren Ursprung nehmen. So entwickeln bis zu 10 Prozent der Krebspatientinnen und Krebspatienten im Laufe ihrer Erkrankung Wirbelsäulenmetastasen, die Tendenz ist klar zunehmend. Die häufigsten Primärtumoren sind dabei Brust-, Prostata- und Bronchialkarzinome. Die klassischen Beschwerden sind Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule, eventuell können diese auch in Arme, Thorax oder Beine ausstrahlen. Aufgrund der sehr knapp bemessenen Raumverhältnisse in der Wirbelsäule können Metastasen bei zunehmendem Wachstum zu rasch fortschreitenden neurologischen Defiziten bis hin zum Querschnittsyndrom führen.

An den Bonner Johanniter-Kliniken wird der große onkologische Schwerpunkt durch unser Wirbelsäulenzentrum exzellent ergänzt. Durch die jahrelange onkologische Behandlungsexpertise und die gewachsene interdisziplinäre Kooperation wird in jedem Einzelfall die optimale Behandlung der Patientinnen und Patienten miteinander festgelegt.

Hierbei spielen viele verschiedene Dinge eine Rolle, die wichtigsten sind Art und Ausdehnung des Primärtumors, Stabilität der Wirbelsäule, Art und Schweregrad der neurologischen Ausfallsymptome, Allgemeinzustand der Patientinnen und Patienten. Zuletzt sind aber insbesondere Lebensqualität und Patientenwunsch hier zentrale Entscheidungspfeiler.

Wirbelsäulenmetastasen

Abbildung 1: Diese seitliche und frontale/ coronare und seitliche Ansicht des unteren Abschnittes der Wirbelsäule zeigt eine Auflösung der Knochenstrukturen (gelbe Pfeile) in allen dargestellten Wirbelkörpern inklusive des Kreuzbeins.

Alle Arten einer malignen/ „bösartigen“/ „streuenden“ Tumorerkrankung können zur Metastasenbildung in der Wirbelsäule führen. Besonders häufig, etwa bei 80 Prozent der Patientinnen und Patienten mit Wirbelsäulenmetastasen, findet man Lungen-, Brust-, Gastrointestinal-, Prostata-, Nierenzellkarzinome oder Lymphome. Meist wachsen diese Metastasen außerhalb der harten Hirn- und Rückenmarkshaut („extradural“/ epidural).

Bis zu 85 Prozent der Patientinnen und Patienten mit Krebserkrankungen leiden an umschriebenen Rückenschmerzen. Die Schmerzen werden häufig durch sogenannte Skelettmetastasen verursacht, also regionale Absiedlungen der Krebserkrankung in den Knochenstrukturen der Wirbelsäule. Die Knochengrundstruktur der Wirbelkörper beginnt sich dadurch aufzulösen, es bilden sich sogenannte Osteolysezonen (Abb. 1). Das kann neben Schmerzen auch dazu führen, dass sich die Form der Wirbelsäule verändert. In diesem Zusammenhang lässt sich manchmal sogar beobachten, dass sich die Körpergröße verkleinert. Die Patienten sacken förmlich in sich zusammen. Zudem beeinträchtigt eine zunehmend aufgelöste Knochenstruktur naturgemäß auch die Stabilitätsfunktion, welche die Wirbelsäule für den menschlichen Körper ausübt.  

Die Schmerzen bei einer Wirbelsäulenmetastasierung sind häufig von solch starker Ausprägung, dass sie trotz Schmerzmitteleinnahme zu einer sehr deutlichen Einschränkung der Lebensqualität führen. Knochenmetastasen bei Krebserkrankungen sind im Hinblick auf die Häufigkeit ein insgesamt stark zunehmendes Problem. Das liegt vor allem daran, dass der Ursprungstumor anfangs durch neuartige Medikamente besser kontrolliert werden kann. Zudem werden die Methoden, die zum Nachweis der Knochenmetastasen führen (CT und MRT) besser und viel häufiger eingesetzt.

Mittels Computertomographie oder Magnetresonanztomographie kann man herausfinden, ob und wie stark die Krebserkrankung die Knochenstrukturen der Wirbelsäule zerstört hat (siehe Abbildung 1). Leider wird bei Krebsbefall der Wirbelsäule oft entschieden, dass die Patientinnen und Patienten Bettruhe einhalten, um bewegungsabhängige Schmerzen, aber auch ein Einbrechen der befallenen Wirbel mit etwaigen neurologischen Ausfällen zu vermeiden. Diese Vorsichtsmaßnahme ist heute allerdings nur bedingt empfehlenswert, da sie mit einer weiteren Verschlechterung der Lebensqualität verbunden ist, ohne die Schmerzen grundlegend zu verbessern.

Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule können auch dazu führen, dass man die Tumordiagnose überhaupt erst entdeckt. Diese Situation ist gar nicht so selten. Häufig sind mehrere Abschnitte der Wirbelsäule betroffen, der Schweregrad kann allerdings sehr unterschiedlich sein. Die Brustwirbelsäule (thorakale Wirbelsäule) ist von Metastasen am häufigsten betroffen. Wichtig in der Einschätzung der Bedeutung für den Patienten ist vor allem

  • ob durch das Metastasenwachstum die Stabilität der Wirbelsäule gefährdet ist?
  • ob das Wachstum der Metastase in unmittelbarer, kritischer Nähe zum Rückenmark oder den spinalen Nerven stattfindet?

Grundsätzliches zu Therapieverfahren

Die Therapiemöglichkeiten sind sehr vielfältig und werden immer interdisziplinär besprochen. Hierbei beziehen wir auch Ihre primären Tumor-Behandlerinnen und -Behandler (z.B. Onkologin/Onkologe, Urologin/Urologe, Internistin/Internist, Dermatologin/Dermatologe, Hämatologin/Hämatologe, Gynäkologin/Gynäkologe etc.) sowie auch Ihre Hausärztin/Ihren Hausarzt ein. Die Gespräche zur gemeinsamen Einigung über die optimale Möglichkeit der Therapie sind unersetzlich zum Erreichen eines optimalen Ergebnisses.

Operative Therapieverfahren

Manchmal erfordern es die Beschwerden (Schmerzen, neurologische Ausfälle wie Lähmungen oder Taubheitsgefühle, Gangunsicherheiten etc., Schwächegefühle, häufige Sturzgeschehen) oder die bildgebende Situation im CT und/ oder MRT mit einem operativen Eingriff zu helfen. Die Eingriffe erfolgen zur Schmerzbehandlung, zur Verbesserung der neurologischen Funktion oder zur Wiederherstellung der Stabilität.

Abbildung 2: Bei metastatischen Prozessen im Bereich der Brustwirbelsäule kann es sinnvoll sein, sowohl den Tumor im vorderen Abschnitt der Wirbelsäule zu entfernen und einen Platzhalter (Cage) einzusetzen (roter Pfeil).

Besonders kritisch bei diesen Operationen ist die Bewahrung der Rückenmarksfunktion. Bei sehr deutlichen Befunden sollte durch kontinuierliche Überwachung dieser Rückenmarksfunktionen durch Strommessungen (Monitoring) während der Operation effektiv eine Verschlechterung vermieden werden. Der Einsatz dieser Monitoringverfahren und die Verwendung minimalinvasiver Techniken erlauben meist eine großzügige, wann immer möglich vollständige Tumorentfernung ohne operationsbedingte Funktionseinbußen. Zudem ist die schnelle Wundheilung zur möglichst raschen postoperativen Genesung bei diesen Patientinnen und Patienten besonders kritisch, da hier zügig im Nachgang Therapieverfahren wie z.B. Chemotherapie und/ oder Bestrahlung (wieder) gestartet werden müssen. In diesem Zusammenhang ist es besonders notwendig, immer die minimalste sinnvolle OP-Methode einzusetzen. Hierbei sind Möglichkeiten durch das Einsetzen von Roboter-assistierten OP-Verfahren sehr sinnvoll. 

Radiofrequenzablation von spinalen Metastasen

Eine besondere Spezialität liegt in der minimalinvasiven Behandlung von Wirbelmetastasen mittels Radiofrequenzablation (RFA). Mit einer RFA kann man Patienten mit spinalen Knochenmetastasen schnell und ohne großen Aufwand zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität verhelfen. Unter Radiofrequenzablation ist die Hitzezerstörung des Tumorbefalls zu verstehen (Abbildung 3). Die Daten, die zur Überprüfung des Behandlungserfolgs und der Behandlungssicherheit dieser Methode in den letzten Jahren erhoben worden sind, haben gezeigt, dass diese Eingriffe sehr sicher, hilfreich und gut verträglich sind. Daher schlagen neue, internationale Behandlungsleitlinien nun vor, eine solche Radiofrequenzablation bei schmerzhaften Wirbelsäulenmetastasen zu einer schnellen und andauernden Schmerzlinderung einzusetzen. Zumeist direkt nach dem Eingriff ist eine bessere Beweglichkeit infolge der Schmerzreduktion möglich. Wird die Radiofrequenzablation kombiniert mit der Einspritzung von Knochenzement in den befallenen Wirbel, lässt sich zudem die Stabilität der Wirbelsäule verbessern und das Risiko einer Rückenmarkschädigung durch ein Zusammenbrechen des Tumor-befallenen Wirbels reduzieren.

Abbildung 3: Hier sieht man die Zonen der Hitzeentwicklung um die Sonde. In der weißen, zentral gelegenen Zone ist die Hitzeentwicklung am größten. Die farbigen Linien beschreiben den Temperaturabfall und im Bereich der violetten Linie ist die Temperatur schon fast wieder normal.

Ein minimalinvasiver Eingriff zur zielgerichteten Zerstörung der oft knotig befallenen Regionen in den einzelnen Wirbeln kann in unserem Zentrum durchgeführt werden. Anhand der Informationen über die Grunderkrankung und über eine Sichtung der radiologischen Bilder können wir entscheiden, ob ein solcher Eingriff infrage kommt.

Bei folgenden Patientengruppen ist eine Behandlung häufig sehr gut möglich

  • sogenannte strahlenresistente Tumore, also Krebserkrankungen, die auf eine Bestrahlung nicht gut ansprechen
  • wiederkehrende lokale Schmerzen nach einer bereits erfolgten Strahlentherapie
  • wenn die Strahlungsdosisgrenze erreicht ist
  • bei fokussierten Schmerzen und Symptomen, die eine palliative Bestrahlung verhindern
  • bei laufenden systemischen Therapien, die sich noch keiner Palliativbehandlung unterziehen können.

Weitere Tumorarten an der Wirbelsäule

Deutlich seltener sind Tumoren in der Wirbelsäule zu finden, die sich innerhalb der Rückenmarkshaut ausdehnen. Diese sogenannt intraduralen Tumoren sind dann vornehmlich außerhalb des Rückenmarks (extramedullär) und verdrängen es. Diese Art der Tumoren bildet die zweitgrößte Gruppe (40 Prozent; z. B. Meningeome, Neurinome)

Je näher man von außen nach innen rückt, desto seltener sind die Tumoren. Nur wenige Tumoren wachsen innerhalb des Rückenmarks (intramedullär; z. B. Ependymome, Gliome). Manchmal findet man auch Metastasen im Rückenmark selbst.