Neue Perspektiven für die Palliativmedizin und Hospizarbeit
Nachbericht zur Fortbildungsveranstaltung
Wie lassen sich Palliativmedizin und Hospizarbeit mit Blick auf Leitlinien, die Lebensqualität Betroffener sowie spirituelle Begleitung zukunftsfähig gestalten? Diese Frage stand im Mittelpunkt der etablierten Fortbildungsveranstaltung „Palliativmedizin und Hospizarbeit“ am 14. Mai im Gemeindesaal Bonn-Bad Godesberg. Rund 100 Fachkräfte folgten der Einladung der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Yon-Dschun Ko, Ärztlicher Direktor der Johanniter-Kliniken Bonn und Chefarzt der Abteilung für Hämatologische Onkologie, Prof. Dr. Lukas Radbruch, Direktor der Klinik für Palliativmedizin des Universitätsklinikums Bonn, sowie Hans-Christian Orfgen, Leitender Oberarzt der Palliativmedizin am Johanniter-Krankenhaus Bonn.
Aktualisiert S3-Leitlinie: mehr Patienten- und Angehörigenorientierung
Den Auftakt machte Prof. Dr. Steffen Simon, Ärztlicher Leiter des Palliativmedizinischen Dienstes sowie des Klinischen Studienzentrums Palliativmedizin der Uniklinik Köln. Er stellte die überarbeitete S3-Leitlinie zur Palliativversorgung bei nicht heilbarer Krebserkrankung vor. Sie stärkt die Patientenorientierung, verbessert Entscheidungsprozesse in multiprofessionellen Team und rückt erstmals die Themenfelder „Angehörige“ und „Spiritualität“ in den Fokus.
Paradigmenwechsel in der Onkologie: personalisierte Therapien statt Chemotherapie
Prof. Dr. Yon-Dschun Ko beleuchtete aktuelle Fortschritte in der Hämatologie/Onkologie, wie etwa hinsichtlich der Entwicklung völlig neuer medikamentöser Therapien, die heute nichts mehr mit einer klassischen Chemotherapie zu tun haben, sondern vielmehr auf immunologischer Ebene greifen. Hier sei es jedoch unabdingbar, für jeden Fall individuell abzuwägen, welche Therapie zum Einsatz käme. „Wir befinden uns in einem Paradigmenwechsel, was bedeutet: Wir müssen neu denken. Ist z. B. ein junger Patient von einer seltenen Mutation betroffen, hilft vielleicht eines von heute rund 160 neuen Medikamenten. Finden wir diese eine ‚Nadel im Heuhaufen‘, haben wir gewonnen. Genauso müssen wir auf der anderen Seite hinterfragen, ob in refraktären Situationen eine Chemo- oder anderweitige Therapie für die Patientin oder den Patienten noch sinnvoll ist“, so Prof. Dr. Ko.
Praxisberichte: Psychoonkologische Begleitung und ambulante Palliativdienste
Dipl.-Psych. Christina Molls und Dipl.-Psych. Heike Adams, Psychoonkologinnen am Johanniter-Krankenhaus Bonn, berichteten aus der psychoonkologischen Praxis, während Dr. Maria Radloff und Claudia Reifenberg von der Bürgerstiftung Rheinviertel anhand eines anschaulichen Beispiels aus der Begleitung sterbender Menschen in ihrem gewohnten Umfeld, aufzeigten, wie ein ambulanter Palliativdienst zum Erfolgsmodell werden kann.
Suizidprävention im palliativen Kontext: Versorgungslücken schließen
Prof. Dr. Reinhard Lindner, Professor für Theorie, Empirie und Methoden der Sozialen Therapie an der Universität Kassel, betonte in seinem Vortrag zur Suizidprävention im palliativen Kontext die Notwendigkeit besserer psychosozialer Angebote als Alternative zum Suizid. Entscheidend sei, Betroffene zu verstehen und Angehörige systematisch einzubinden. Suizidprävention müsse dabei in allen Bereichen sichtbar sein und immer in Verbindung mit Angeboten der Palliativ- und Hospizarbeit, der Geriatrie sowie weiteren Beratungsangeboten stattfinden.
Palliative Sedierung: neue Empfehlungen
Dr. Sèverine Surges, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Klinik für Palliativmedizin am Universitätsklinikum Bonn, stellte neue Empfehlungen zur palliativen Sedierung vor – mit Fokus auf der Linderung refraktären Leidens und nach dem Prinzip der Proportionalität, sprich auf niedrigstmöglicher Dosis.
Spirituelle Begleitung: die Bedeutung des Hörens am Lebensende
Erik Nestler, Vikar der Luthergemeinde Bonn, schloss mit einer anschaulichen Reflexion über die Spiritualität des Hörens am Anfang und am Ende des Lebens. Er stellte heraus, dass Stimme, Sprache, Musik und Hören insbesondere für Menschen auf dem letzten Lebensweg von zentraler Bedeutung sind und es durchaus einen Unterschied macht, in welcher Tonhöhe und Lautstärke man Betroffenen begegnet.