Myanmar nach dem Putsch: „Ich mache mir große Sorgen“

Berlin / Yangon, 14. Mai 2021

Nach einem Demokratisierungsprozess in den letzten Jahren hat das Militär am 1. Februar 2021 mit einem Putsch wieder die Kontrolle in dem südostasiatischen Land übernommen. Landesweite politische Protestbewegungen werden seither gewaltsam niedergeschlagen – rund 800 Menschen starben bereits, fast 4000 wurden verhaftet. Auch in den Gebieten der ethnischen Minderheiten, wie den Shan, Kachin und Karen sind die Konflikte wieder aufgeflammt. Menschen, die nach jahrzehntelanger Flucht und Gewalt gerade begonnen hatten sich ein neues Leben in ihrer Heimat aufzubauen, droht erneut die Flucht. Eine von ihnen ist Ma Pyone. Sie gehört der ethnischen Minderheit der Karen an.

Ma Pyone

Als Ma Pyone gerade 13 Jahre alt war, erreichte der bereits schwelende Konflikt zwischen der Armee der Karen und dem burmesischen Militär ihr Dorf. Ihre Familie floh in die Nähe der thailändischen Grenze, jederzeit bereit, schnell über die grüne Grenze zu fliehen. In einer Schule im thailändischen Flüchtlingslager konnte sie ihren Schulabschluss und eine Ausbildung zur Lehrerin absolvieren. Bald zwang der Krieg die Familie zur Flucht in das thailändische Flüchtlingslager. Aufgrund der finanziellen Nöte der Familie musste Ma Pyone einen Job als Dienstmädchen in Bangkok annehmen. Ihre zwei Kinder ließ sie bei ihren Eltern zurück und finanzierte mit ihrem Einkommen deren Lebensunterhalt und Ausbildung. Als im Jahr 2015 die Karen einen Friedensvertrag mit der burmesischen Regierung unterschrieben, kehrte die Familie nach Myanmar zurück. In einem Dorf nahe der Grenze wollten sie sich ein neues Leben aufbauen. „Das Geld von meinem Job in Bangkok hätten wir dafür gut gebrauchen können, aber mein Vater bat mich zu bleiben, um für unser Volk zu arbeiten, das so lange unter dem Krieg gelitten hatten“, so Ma Pyone.

Neuanfang in der Heimat

Deshalb nahm sie an einer sechsmonatigen Basisgesundheitsausbildung teil, um anschließend ihre Gemeinde zu Themen für mehr Gesundheitsbewusstsein zu schulen. Gleichzeitig starteten die Johanniter gemeinsam mit ihren Partnern ein neues Projekt in ihrem Dorf. Ein Gesundheitszentrum und Wasserversorgungssystem wurde gebaut, Aufklärung zu Gesundheits- und Ernährungsfragen wurden durchgeführt. Außerdem gab es Schulungen in Landwirtschaft und Gemüseanbau, um den Ernteertrag und die Einkommen der Dorfbewohner zu verbessern. Bei allen Aktivitäten wurden die Gemeindemitglieder aufgefordert, sich aktiv zu beteiligen und ihre Arbeitskraft einzubringen. Als Mitglied des Dorfentwicklungskomitees engagierte sich Ma Pyone aktiv in den Projektaktivitäten. Nach einem von den Johannitern durchgeführten Training zur Organisation von Spargruppen, organisierte sie auch eine Spar- und Kreditgruppe in ihrem Dorf. Hier können sich die Mitglieder Geld zu einem niedrigen Zinssatz leihen. „Als ich spürte das das Konzept funktioniert, wollte ich auch andere Dörfer bei der Gründung solcher Gruppen unterstützen“, so die 46-jährige Karen-Frau.

Der Armut entkommen

Mittlerweile arbeitet sie fest als Koordinatorin für die Johanniter-Partnerorganisation KDHW. Hier stärkt sie die lokalen Gemeinden beim Aufbau von finanziellen Ressourcen aus eigenen Mitteln.

Wir alle wollen aus der Armut herauskommen, aber wir wissen nicht wie. Dank der Schulungen verstehe ich jetzt, dass wir auch selbst etwas dafür tun können.
Ma Pyone

„In unserer Gegend gibt es auch politische Konflikte, wodurch wir keinen Zugang zu den grundlegenden sozialen und finanziellen Dienstleistungen haben und nicht durch ordentliche Gesetze geschützt sind“, begründet Ma Pyone ihre Motivation. Dank der Spargruppen konnten bereits viele Mitglieder kleine Geschäfte aufbauen. „Ich kann sehen, dass das Konzept funktioniert. Mein Traum ist es, dass es sich zu einer Gemeinschaftsbank entwickelt, die Finanzdienstleistungen für die ganze Gemeinde anbieten kann.“

Ein erneuter Bürgerkrieg droht

Doch dann kam die Corona-Pandemie und der Militärputsch. „Ich habe Angst das unser Geld entwertet wird oder andere schlimme Dinge passieren. Ich musste schon so oft wegen des Bürgerkriegs fliehen. Ich möchte nicht, dass das wieder passiert“, berichtete sie noch im März. Die Preise für Nahrungsmittel und Benzin sind stark gestiegen. Täglich sterben Menschen bei politischen Protestkundgebungen. „Das Leben wurde schon enorm eingeschränkt durch die Pandemie und nun zeigt alles in Richtung eines erneuten schweren Bürgerkrieges. Da der Karen-Staat nicht vom Militär kontrolliert wird, sind wir nicht direkt in die Protestbewegung involviert, aber die Karen National Union lehnt die Militärdiktatur klar ab. Nicht weit von hier gab es deshalb schon Bombardierungen aus der Luft. Bisher können wir noch weiterarbeiten, aber einer unserer Partner musste bereits aus Sicherheitsgründen vorerst einige Projektaktivtäten einstellen“, so Nicole Kockmann, Johanniter Programmreferentin für Südostasien.

„Es gibt viele verschiedene Herausforderungen, neben der instabilen Sicherheitslage und der eingeschränkten Kommunikation durch die Sperrung des Internetzugangs, funktioniert auch das Bankensystem kaum noch, neue und alte Konflikte verstärken sich. Verschlimmert sich die Situation weiter, werden viele Menschen innerhalb des Landes vertrieben. Die Johanniter unterstützen schon seit 13 Jahren gemeinsam mit ihren Partnern die Menschen im Land. Wir werden sie auch in der jetzt schwierigen Situation nicht im Stich lassen”, verspricht Lothar Kinzelmann, Johanniter-Landesdirektor in Myanmar.

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