"Diese Menschen hungern nicht, sie werden ausgehungert."

Vor allem Kinder leiden unter der Ernährungssituation.

Berlin, 31. August 2021

Bereits im Oktober vergangenen Jahres warnten die Vereinten Nationen, dass sich bis Ende 2020 die Zahl der akut Hungernden im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mit fast 270 Millionen Menschen verdoppeln könnte. Trotz aller Warnungen stehen heute 34 Millionen Menschen am Rande einer Hungersnot. Zusammen mit mehr als 260 weiteren Hilfsorganisationen forderten wir Johanniter im April in einem offenen Brief dazu auf, den Kampf gegen Hunger stärker zu unterstützen.  

Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) stieg die Zahl der Menschen, die von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen sind, im Jahr 2020 auf geschätzte 720 bis 811 Millionen Menschen an. Gewaltsame Konflikte, Klimaextreme und wirtschaftliche Turbulenzen führen dazu, dass Menschen in vielen Ländern für sich und ihre Familien nicht mehr genug zu essen haben. Durch die Corona-Pandemie hat sich diese Zahl dramatisch erhöht. Besonders Frauen und Kinder leiden am stärksten darunter.

Südsudan: Schätzungsweise 1,4 Millionen unternährte Kinder während Trockenzeit

Alarmierend ist die Situation im Südsudan, wo vor allem interne Konflikte viele Menschen zur Flucht gezwungen haben. Dort behandelt unser Team seit 2017 unterernährte und erkrankte Kinder in einem Stabilisierungszentrum.

Der Südsudan steht heute vor der größten Ernährungsunsicherheit und höchsten Unterernährungsrate seit seiner Unabhängigkeit vor 10 Jahren.
Janina Dreier, Programmreferentin für den Südsudan

"Besonders besorgt sind wir über die 1,4 Millionen Kinder und 483.000 schwangeren oder stillenden Frauen, die akut unterernährt sind und eine Behandlung benötigen", so Dreier weiter. Während der aktuellen Erntezeit sind 7,2 Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Die Folgen des Klimawandels sind hier deutlich zu spüren: Dürren und Überschwemmungen führen häufig zu Ernteausfällen.

"Diese Menschen werden ausgehungert durch Konflikte und Gewalt; durch Ungleichheit; durch die Auswirkungen des Klimawandels; durch den Verlust von Land, Jobs oder Perspektiven; durch einen Kampf gegen COVID-19, der sie noch weiter zurückgelassen hat."

Offener Brief von über 260 Bündnisorganisationen

Afghanistan: 9 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen

Eine wirkungsvolle Bekämpfung des Hungers ist kaum möglich, da UN-Programme chronisch unterfinanziert sind. Das Welternährungsprogramm ruft dazu auf, 5,5 Milliarden US-Dollar bereitzustellen, um die drohende Hungersnot noch abzuwenden. Dem allgemein gültigen Anspruch auf ausreichend Nahrungsmitteln für alle kann andernfalls nicht nachgekommen werden. Afghanistan ist dafür ein Beispiel: Geringe Niederschläge im Winter, gepaart mit einem anhaltenden bewaffneten Konflikt, haben die Versorgung im Land enorm verschlechtert. Externe Hilfe ist notwendig.

Mehr als 9 Millionen Menschen sind auf Hilfe angewiesen, aber davon kann nur knapp die Hälfte erreicht werden.
Helen Guillermo, Leiterin des Johanniter-Büros in Kabul

266 Millionen US-Dollar werden für Afghanistan benötigt, die bisher nicht gedeckt sind. Guillermo befürchtet, dass eine anhaltende Trockenheit, die Corona-Pandemie und der interne Konflikt die Not in den kommenden Wochen deutlich ansteigen lässt.

Auf Grund der aktuellen Lage im Land, nach der Machtübernahme der Taliban, bleibt unklar, wie und ob eine Unterstützung der Menschen im Land in Zukunft weiter möglich sein wird.

Was bedeutet akuter Hunger?

Akuter Hunger ist die extremste Form des Hungers und tritt häufig im Zusammenhang mit Dürren, Kriegen und Katastrophen auf. Geläufig ist dafür der Begriff Hungersnot. Akuter Hunger steht für Unterernährung über einen definierbaren Zeitraum, der vor allem Menschen betrifft, die bereits an chronischem Hunger leiden.

Programm zur Stabilisierung unterernährter Kinder gestartet

Eine Frau füttert ihr Kind mit einer Tasse
Im Südsudan versorgen wir unterernährte Kinder mit Zusatznahrung.

Um Unterernährung zu bekämpfen, starteten wir im August vergangenen Jahres mit finanzieller Unterstützung des Auswärtigen Amtes ein regionales Programm im Südsudan, Uganda und Kenia. Im Südsudan richtet sich das Programm vor allem an Kinder unter fünf Jahren und schwangere Frauen. Bei Anzeichen von Unterernährung werden sie mit Zusatznahrung versorgt oder an unser Stabilisierungszentrum verwiesen, um sie stationär zu betreuen. So konnten wir 2020 513 akut unterernährte und erkrankte Kinder unter fünf Jahren in unserem Stabilisierungszentrum behandeln und ihr Überleben sichern.

Hunger vorbeugen

Ein Geflüchteter steht in seinem Garten
In Uganda unterstützen wir Flüchtlingsfamilien beim verbesserten Anbau von Nahrungsmitteln.

Viele Südsudanesen sind aufgrund von Gewalt und Armut ins Nachbarland Uganda geflohen. Hier unterstützten wir in den vergangenen Monaten gemeinsam mit unserem Partner CEFORD Flüchtlingsfamilien beim verbesserten Anbau von Nahrungsmitteln. In den kommenden drei Jahren stehen Mütter und ihre Kinder in unserem Fokus, um ihre Ernährung zu verbessern. Zudem errichtet unser Partner CEFORD Latrinen und führt Hygieneschulungen durch, wodurch Krankheiten vermieden werden. All unsere Maßnahmen zahlen auf das globale Ziel ein, einer Welt ohne Hunger bis 2030 einen Schritt näher zu kommen.

Einkommen und Ernährung sichern

Um die Widerstandsfähigkeit gefährdeter Menschen vor, während und nach Katastrophen und Krisen zu stärken, implementieren wir zusammen mit unseren Partnern umfassende Programme zur Einkommens- und Ernährungssicherung.