Libanon: Neuer Horizont für Jugendliche
Berlin / Sidon, 10. Juli 2020
Eine anhaltende Wirtschaftskrise und wachsende Unruhen destabilisierten in den vergangenen Monaten die Lage im Libanon. Die COVID-19-Pandemie hat die Situation noch verschärft. Vor allem junge Menschen, die bereits durch Flucht oder Behinderungen benachteiligt waren, sind Leidtragende dieser Entwicklung. Ein Projekt, dass sie unterstützt, konnte im Juni wieder gestartet werden. Es ermöglicht 540 Jugendlichen, die meist nur gesellschaftliche Ablehnung und Ausgrenzung erleben, eine Berufsausbildung.
Aya ist eine 21-jährige junge Frau. Sie hört schlecht und das Sprechen fällt ihr schwer. "Sie hielt sich zu Beginn der Kurse von den anderen Klassenkameraden fern und nahm weder am Unterricht noch an anderen Aktivitäten teil. Sie war sehr schüchtern", erinnert sich ihre Lehrerin. Das war im Spätsommer 2019, als Aya in ein sozio-ökonomisches Projekt von Naba´a einstieg, einer Partnerorganisation der Johanniter im Libanon. Damit stand sie nicht allein.
"Zu Beginn waren alle Auszubildenden äußerst introvertiert und sie litten an mangelndem Selbstvertrauen”, ergänzt ihr Kollege Imam, zuständig für die psychosoziale Unterstützung im Projekt. “Mit den Trainingseinheiten, den Aktivitäten und Einzelsitzungen für Auszubildende mit psychischen Beeinträchtigungen verbesserte sich die Situation zusehends.” Dem Projekt und dem Spezialistenteam von Naba´a gelang es, die jungen Menschen, die bisher nur auf Ablehnung gestoßen sind, durch mehr Selbstwertgefühl, Anerkennung und aktive Unterstützung wieder aufzubauen.
Die Blaupause dafür lieferte ein Vorgängerprojekt, das 120 Jugendlichen zwischen 2016 und 2018 eine Ausbildung ermöglichte. Nach dem Abschluss fanden nicht nur 40 Prozent unmittelbar eine Anstellung als Friseur, Computerspezialist oder Mobilfunktechniker, sondern sie organisierten sich in Jugendgruppen und machten auf sich und ihre Belange aufmerksam. Seit Juni 2018 findet der zweite Zyklus für 540 Jugendliche in palästinensischen Flüchtlingslagern statt. Neben der Berufsausbildung nehmen die jungen Menschen an Veranstaltungen teil, die ihnen wichtige soziale Kompetenzen vermitteln.
"Aya genießt heute das Training, sie macht sich früh morgens fertig, um in die Klasse zu gehen", sagte Ayas Mutter stolz. Ihr Geisteszustand sei gut und sie mag ihren Lehrer und ihre Klassenkameraden. Jeden Morgen fährt sie zusammen mit ihrer Sozialarbeiterin Souad im Projektbus zum Trainingszentrum, wo sie sich ihrer Klasse aus 15 jungen Menschen mit und ohne Behinderungen anschließt. Aya macht dort eine Catering-Ausbildung am "Sidon Technical Institute" (STI) in Sidon, unweit des palästinensischen Flüchtlingslagers Ain el Helwe, in dem sie mit ihrer Familie lebt. Kommt Aya nach Hause, wendet sie das Gelernte gerne zusammen mit der Familie in der Küche an. Die wirtschaftliche Lage sei laut der Mutter schlecht, und sie hofft, dass sich mit Ayas Unterstützung die Situation etwas verbessern wird. Das möchte auch Aya. Nach ihrem Abschluss will sie ihrem Vater in dem kleinen Süßwarenladen helfen, den er besitzt und der für die Familie die wirtschaftliche Grundlage bildet.
Das Projekt wird durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziell gefördert.